Beitrag von Anna-Stempel-Romano
In diesem Beitrag möchte ich der grundlegenden Frage nachgehen, warum Pferde einen so großen Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit haben können.
Pferdegestützte Persönlichkeitsentwicklung hat im Gegensatz zu anderen, thematisch vergleichbaren Angeboten (wie beispielsweise erlebnispädagogischen Outdoor-Veranstaltungen) einige Vorteile. Diese ergeben sich auf der einen Seite aus der entwicklungsgeschichtlichen Verbundenheit zwischen Mensch und Pferd und der daraus resultierenden, starken Symbolkraft der Pferde für uns Menschen. Auf der anderen Seite ergeben sich diese Vorteile aus den natürlichen Eigenschaften und Verhaltensweise der Pferde als Flucht- und Herdentiere.
Es kann in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden, dass die Kombination dieser beiden Bereiche das ist, was Pferde zu besonders guten Partnern für die persönliche Entwicklung von uns Menschen machen kann.
Heute widme ich mich zunächst der enormen Symbolkraft, die Pferde für uns Menschen haben und die sich unter anderem aus der langen gemeinsamen Geschichte ergibt:
Die gemeinsame Geschichte von Mensch und Pferd ist lang
Bereits aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. gibt es Belege dafür, dass Menschen Pferde als Nutz- und Haustiere domestiziert haben. Waren die Pferde zu Beginn sicherlich hauptsächlich Fleisch- und vielleicht auch Milchlieferanten, so wurden sie im Lauf der Zeit immer wichtiger für die Menschen. Als Arbeits- Lasten- und später auch Reittiere beeinflussten sie unsere Entwicklung über die Jahrtausende hinweg:
- Sie halfen beim Ackerbau und sorgten so dafür, dass mehr Menschen mit weniger Arbeitsaufwand mit Nahrung versorgt werden konnten.
- Sie ermöglichten es, schneller weite Strecken zurück zu legen und dabei mehr Gepäck zu transportieren. So förderten sie die Ausbreitung ganzer Völker.
- Auch in der Kriegsführung waren Pferde bald unerlässliche Partner der Menschen und wurden in Kämpfen lange Zeit sogar selbst als Waffe eingesetzt.
Insgesamt sind sie aus der Entwicklung der Menschheit kaum wegzudenken.
Symbol Pferd
Pferden wird seit langem eine hohe Symbolkraft zugeschrieben. In früheren Zeiten wurden sie häufig als Zugtiere des Sonnenwagens verehrt (im vorpatriarchalischem Griechenland auch des Mondwagens) und standen damit unter anderem auch für die wiederkehrende, lebensspendende Kraft der Sonne.
Als Gegenpart zu dieser lebensspendenden Symbolik wurde das Pferd auch immer wieder als der Begleiter vom Reich der Lebenden in das Reich des Todes angesehen. Die Unterscheidung zwischen beiden Extremen lag meist in der Farbe des “zuständigen” Pferdes begründet: die (weißen) Schimmel waren für das Leben zuständig, die (schwarzen) Rappen für den Tod.
Insgesamt zieht sich dieser Ganzheitscharakter durch die Symbolik des Pferdes als roter Faden durch. Neben Leben und Tod steht das Pferd beispielsweise auch für Freiheit und Unterordnung, für Wildheit und Zähmbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit oder für triebhaftes Handeln und Intellekt.
Pferd – das Symbol der Macht
Seit dem römischen Kaiser Marc Aurel, dessen Reiterstandbild 166 nach Christus entstand, gilt das Pferd auch als Attribut imperialer Macht. In Form von Reiterstandbildern werden die Herrscher auf diesem Wege zweifach erhöht dargestellt – zum einen durch das Pferd, auf dessen Rücken sie sitzen, zum anderen durch den Sockel, auf dem das Pferd in der Regel steht.
Auf Gemälden ließen sich Herrscher auf dem Rücken ihrer edlen Rösser oft in historischen Situationen darstellen. Beispiele sind hier Kaiser Karl V. nach der Schlacht von Mühlberg von Tizian oder Napoleon bei der Alpenüberquerung von Jaques-Louis David. Bei letzterem stand vor allem die propagandistische Wirkung des Kunstwerkes im Vordergrund. Dass Napoleon die Alpen tatsächlich bei Nacht und auf einem Maultier überquerte spielt für die Symbolkraft des Bildes keine Rolle.
All diese Darstellungen in der Kunst machen deutlich, welche wichtige Rolle Pferde zu unterschiedlichen Zeiten für die menschliche Geschichte und die gesellschaftliche Entwicklung gespielt haben.
Pferd und Mensch – Gestern und Heute
Pferde spielen also bei der Entwicklung der Menschheit eine wesentliche Rolle. Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd ist noch bis ins letzte Jahrhundert so eng gewesen, wie kaum eine andere Verbindung zwischen Mensch und Tier – den Hund einmal ausgenommen.
Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts – mit dem Vormarsch des Automobils tritt das Pferd immer mehr in den Hintergrund und wird zunächst zum Sport- und Freizeitpartner. Seine Rolle als “Entwicklungshelfer”, sei es im therapeutischen Sinne, als Begleiterscheinung im “normalen” Reitunterricht oder in der Erwachsenenbildung, hat das Pferd erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit inne. Es wird allerdings davon ausgegangen – und ich persönlich teile diese Einschätzung – dass der Umgang mit einem Pferd zu allen Zeiten die persönliche Entwicklung der mit ihm betrauten Menschen beeinflusst hat!
Wie es das macht, kann hier nachgelesen werden… Pferdegestützes Coaching II
Inspirierende Literatur:
Nobis, Günter: Geschichte des Pferdes – seine Evolution und Domestikation. In: Thein, Peter/Alswede, Lutz (Hrsg.): Handbuch Pferd. Zucht, Haltung, Ausbildung, Sport, Medizin, Recht. 2005